Eine Bank wirbt damit, bei ihr müsse «das Geld arbeiten». Das suggeriert, das Geld würde sonst ganz faul zu Hause «rumliegen», wenn man es nicht auf die Bank bringe. Mein Geld ist leider gar nicht faul. Wäre es bloss zu Hause, ich wäre glücklich. Mein Geld ist nämlich vergnügungssüchtig. Und noch viel schlimmer: Mein Geld mag mich wahrscheinlich nicht. Wie sonst wäre es zu erklären, dass mein Geld mich ständig verlassen will? Natürlich, sein Wegwollen packt mein Geld in verführerische Worte. Es schmeichelt mir und flötet mir zu: «Lass uns doch wieder mal ausgehen. Wir waren schon lange nicht mehr aus. Du musst auch mal wieder unter die Leute.» «Nix da», sage ich. «Ich war gestern aus und vorgestern und am Tag zuvor. Ich mag nicht mehr. Ich willbloss zu Hause bleiben und Tütensuppe vor dem TV essen.» «Einverstanden», lenkt mein Geld ein, gemütlicher Abend. Aber von Tütensuppe hat doch unsereiner nicht gegessen. Lass uns doch den Gourmet- Kurier bestellen . . .»
Manchmal versucht mein Geld auch vernünftig zu argumentieren. Dann sagt es, der mangelnde Binnenkonsum sei der Hauptgrund für das schleppende Wirtschaftswachstum in der Schweiz. Mein Geld ist nämlich ein glühender Verfechter des Keynesianismus. «Die hohe Sparquote ist ein Grundübel in der Schweiz», doziert es dann und behauptet, es sei meine volkswirtschaftliche Pflicht, es in Umlauf zu bringen. «Aber wenn ich nichts spare, dann habe ich nichts im Alter. Und ich bekomme doch eh keine AHV.» Mein Geld ist da ganz anderer Meinung. Mit zwei Prozent Wachstum pro Jahr sei die AHV gesichert. Und wie entsteht dieses Wachstum? Eben! Nun, mein Geld ist nicht nur vergnügungs- und kaufsüchtig. Es will ja bloss weg von mir. Darum hat es auch kein Problem damit, mich in Form von Rechnungen zu verlassen. Aber trotz aller Vergnügungssucht ist mein Geld nur beschränkt paarungswillig. Wie oft habe ich schon versucht, mein Geld in einem stillen Örtchen einzuschliessen, in der Hoffnung, es würde sich vermehren. Aber so klappt es nicht. Nicht mal daran will mein Geld arbeiten. Nein, mein Geld arbeitet nicht. Das tue nur ich. Damit mein Geld mehr vom Leben hat.