Kontraproduktiv?

Zur Diskussion ums Asylgesetzreferendum.

Es ist legitim für eine Organisation oder eine Partei, sich Gedanken zu machen, wo man welche Ressourcen am besten einsetzt und ob es sich lohnt, jede Schlacht zu schlagen. Das muss und soll sie tun. Es ist auch legitim für eine Partei (bei einer Menschenrechtsorganisation kann man das schon eher in Frage stellen) die Frage des politischen Erfolgs (man kann auch mit einer Niederlage erfolgreich sein) abzuwägen. Ärgerlich an den selbst ernannten Strategen ist, dass sie dort Fehler begehen, wo sie sich vermeintlich im Recht befinden. Nämlich in der Kommunikation und der Taktik.

Grundwerte gewinnen in einer Diskussion immer gegen taktische Abwägungen – vor allem wenn man inhaltlich nicht mal anderer Meinung ist. Interne Strategie-Diskussionen taugen nun mal nicht für die Öffentlichkeit. Eine Taktik kann schliesslich nur funktionieren, wenn sie der Gegner nicht weiss und bestimmt nicht, wenn man sie per Interview und Zeitungsartikel bekannt gibt. Die Hauptargumentation 1. man verliere eh und fürchte 2. die Diskussion mit der SVP kann man in einer Geschäftsleitung oder in einer Fraktion diskutieren – für die breite Öffentlichkeit und mindestens Teile der eigenen Mitglieder klingt es nicht nach Strategie, sondern nur nach Kapitulation.  Was daran geschickt und nicht kontraproduktiv sein soll, ist mindestens mir schleierhaft.

Einmal mehr  spaltet man die wenigen Menschen, die sich noch für eine menschlichere und liberalere Asyl- und Ausländerpolitik einsetzen über taktische statt über inhaltliche Fragen. Bereits bei der Ausschaffungsinitiative und dem Gegenvorschlag zersplitterte man die Kräfte statt sie zu bündeln. Damit sorgt man intern für komplett unnötigen Ärger, wo sich beide Seiten zu Recht als Opfer fühlen, die einen, weil ihnen Naivität und die anderen, weil ihnen Herzlosigkeit vorgeworfen wird. Wir bekämpfen hier einander statt den Gegner – sind nun aber in der Wagenburg gefangen. Denn es geht hier nicht um Kopf vs. Herz – es ist schlicht eine Frage der politischen Einschätzung.

Wir werden aber meines Erachtens niemals eine günstigere Stimmung oder ein besseres Klima für unsere migrationspolitischen Anliegen finden (wie viele Abstimmungen wir auch immer verlieren), wenn wir grundsätzlich immer schon davon ausgehen, dass unsere Meinung und unsere Haltung komplett unerklärbar und unpopulär und wir sie darum nur möglichst diskret äussern sollten. In diesem Sinne verstehe ich diejenigen, die sich mit einer Initiative statt mit dem Referendum in dieser Frage positionieren wollen. Mit einer Initiative gäbe es mehr zu gewinnen – aber auch mehr zu verlieren. Dies – und auch die eingangs erwähnten Überlegungen, gilt es abzuwägen und zu diskutieren, bevor eine entsprechende Initiative lanciert wird.

So gab es aus meiner Sicht tatsächlich gute Argumente gegen ein Referendum (vor allem die Befristung, die Frage der Ressourcen, die Frage, ob man immer in der Defensive bleiben soll oder in die Offensive gehen muss). Das Referendum ist nun aber lanciert – dieser Zug ist weit abgefahren. Jetzt schadet man dem Anliegen (von den Betroffenen möchte ich nicht reden, diese müssten sich wenn schon selber dazu äussern), wenn man ständig davon redet wie kontraproduktiv die Angelegenheit ist und wie hoch man verlieren wird (es gibt auch selbsterfüllende Prophezeiungen). Zuerst einmal sollen diejenigen Organisationen, die das Referendum ergriffen haben, dafür sorgen, dass es zustande kommt. Und wenn es zustande kommt, dann soll man sich Gedanken darüber machen, wie man eine möglichst erfolgsversprechende und mehrheitsfähige Kampagne dazu machen kann. Und dann, wenn die Schlacht geschlagen ist, kann man wieder darüber reden, ob sie sich nun gelohnt hat oder nicht.

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