PS. In eigener Sache

Hier zu meiner neuen Herausforderung als Verlegerin und Chefredaktorin vom P.S.

10355766_10204282128726200_1508152728439861493_nDer Schleier ist gelüftet. Die geheimnisvolle Verlegerin bin ich. Jetzt sind Sie liebe Leserin, lieber Leser vielleicht enttäuscht, vielleicht erleichtert. Das PS. wird nun doch nicht von Tito Tettamanti übernommen. Es bleibt links. Und arm.

Eine Zeitung zu übernehmen ist in der heutigen Zeit ein Wagnis. Es ist wie eine Dampfmaschinenfabrik zu übernehmen in einem Zeitalter der Hybrid-Fahrzeuge.  Zusätzlich gehört das PS zu den letzten Erben der sozialdemokratischen Arbeiterzeitungen, die nach und nach praktisch alle verschwunden sind. Ein Dinosaurier der Zeitungswelt.  Hat die Zeitung überhaupt eine Zukunft oder ist sie die Dampfmaschine unserer Zeit? Sie hat Zukunft. Vielleicht nicht in der heutigen Form, aber sicher in ihrem Wesen. Auch im 21. Jahrhundert gibt es ein Bedürfnis nach Geschichten, nach Einordnung und Auswahl, nach gut Geschriebenem und gut Kommentiertem.

Das Gute an Herausforderungen: Sie sind unglaublich spannend. Das schlechte: Die wirklich spannenden Herausforderungen sind die Schwierigsten. Wie wir die Zeitung – und in diesem Fall nicht irgendeine Zeitung, sondern das PS. – im 21. Jahrhundert neu erfinden und zu Erfolg bringen können, ist eine grosse Herausforderung.

In der letzten Woche habe ich im Schiff auf dem Comer See bei strahlendem Wetter das Buch „Deadline“ von Constantin Seibt gelesen. Dieses unterhaltsame Buch zum Thema Journalismus und zur Zeitung von morgen ist auf jeden Fall lesenswert – aber gibt sie auch geeignete Rezepte? Zum Beispiel rät Seibt den Verlagen, sich am amerikanischen Bezahlsender HBO zu orientieren, der nicht auf den Massengeschmack gesetzt hat, sondern den Autoren ins Zentrum gestellt hat. Teure, aufwändige Eigenproduktionen geschaffen und damit den modernen Serienhype ausgelöst hat. Auf den ersten Blick ein eher exotisches Rezept für einen so kleinen Verlag wie das PS. Wir können uns nicht dutzende Edelfedern und geniale Erzählerinnen leisten.  Und mit den bescheidenen Ressourcen werden wir auch keine Breitbandgeschichten in Serie produzieren können.

Was bleibt: Die Haltung

Der Autor oder die Autorin im Zentrum, das war niemals das PS. Konzept. Aber: Wenn Sie, liebe Leserin, lieber Leser bei der letzten Spendenaktion in die Taschen gegriffen haben, um das PS. zu retten, dann war es sicher nicht nur, um die Zeitung als Zeitung zu retten. Es war – so bin ich überzeugt – ein Zeichen der Anerkennung für die PS.-Crew und vor allem auch für deren abtretenden Kapitän Koni Löpfe.

Ich glaube, dass ihm die Aufmerksamkeit, die er in den letzten Wochen – unter anderem mit einem grossen Porträt im Tages-Anzeiger – erhalten hat, etwas unangenehm ist. Koni würde auch sofort bestreiten, dass er für den Weiterbestand der Zeitung eine wichtige Rolle spielen müsse. Trotzdem hängt viel der Anerkennung, die das PS. geniesst, auch mit seiner Person zusammen. Er wird – wie von ihm angekündigt – als Verleger in Pension gehen, aber nicht als Schreiber. Seine Gedanken und Einschätzungen werden weiterhin zu lesen sein. Etwas weniger häufiger als jetzt, doch sicher genug, dass er sich den Weiterbehalt seines Büros (seiner privaten Tonhalle) rechtfertigen kann. Und genug, dass Sie weiterhin an Konis Werten und Worten Freude haben können.

Das PS. sei – so war an einigen Orten zu lesen – etwas aus der Zeit gefallen. In Machern, Machart und Erscheinung. Das ist zum einen gut so. Denn das PS. ist so altmodisch, dass es gleich wieder modern ist. Die Zeitung des 21. Jahrhunderts greift vielleicht zurück auf das, was im 20. Jahrhundert schon einmal fast unterging: Auf die klare Haltung. Und das PS. ist eine Zeitung mit klarer Haltung und mit klarem Stil. Und Haltung – um noch einmal Constantin Seibt zu zitieren, „ist kein Luxus.“ Sie ist im Fall des PS. sogar ganz günstig. Für nur 200 Franken pro Jahr, erhalten Sie Haltung und Stil frei Haus geliefert. Und ich kann Ihnen sagen, Sie haben bestimmt schon für Dümmeres Geld ausgegeben.

Ein Ort für Debatten

Das PS. soll eine linke Zeitung bleiben. Ein Nischenprodukt für jene, die über linke Politik von Linken lesen wollen, aber auch für Polit-Szenis, Polit-Junkies und Polit-Lokalmatadore, die wissen wollen, was hinter den Kulissen läuft. Es soll eine linke Zeitung sein, die auch Nette, Rechte oder Liberale lesen dürfen, eigentlich lesen müssen.  Das PS. ist keine Parteizeitung, es ist eine linke Zeitung, die auch kritisch sein soll. Was in einer Partei zuweilen stört  – auch wenn es gerne beschworen wird – ist für eine Zeitung ein Gewinn: Diskurse, Debatten und Diskussionen.

Es soll vieles gleich bleiben. Doch das PS. wird sich auch wandeln müssen. Auch wenn Gerd Schröder in dieser Leserschaft wohl ähnlich viele Fans hat wie Karl Marx in der Mont-Pélérin-Gesellschaft, so ist sein Motto „nicht alles anders, aber vieles besser“ hier nicht ganz unangebracht. Wir wollen das PS. in erster Linie optisch, aber auch inhaltlich erneuern. Es soll – um einen anderen deutschen Genossen zu paraphrasieren, nicht nur arm sein, sondern neu auch sexy werden.

Terra Icognita erobern

In einem zweiten Schritt wollen wir die Zeitung digital ins 21. Jahrhundert katapultieren. Angela Merkel wurde von den digital Eingeborenen belächelt, als sie das Internet im Wahlkampf als Neuland bezeichnete. Beim PS. muss man eingestehen, das Internet und soziale Medien sind totales Neuland – Terra Icognita gar. Hier ist die Altmodigkeit kein Vorteil, sondern ein Defizit. Das werden wir anpacken – aber in realistischer Manier. Es wird nur ein kleiner Schritt sein, aber für das PS. ein grosser Sprung.

Einige haben mir geraten, Online vor Offline anzugehen. Mit durchaus guten Argumenten. Ich habe mich aber dagegen entschieden. Weil das Herzstück des PS. die Zeitung, das gedruckte Exemplar bleibt. Sicher heute, vermutlich auch in Zukunft. Und wir müssen zuerst die bestmögliche Zeitung machen, bevor wir die Expedition ins Neuland wagen. Schliesslich soll in der Zeitung beginnen, was dereinst im Internet leuchten soll.

Sie gestalten mit!

Nicole, Thierry und ich arbeiten bereits an der Konzeption des neuen Blatts. Der Relaunch soll aber nicht eine Kopfgeburt aus dem stillen Kämmerchen sein. Wir sind interessiert daran, was Sie liebe Leserin, lieber Leser wollen: an ihren Ideen und ihren Vorstellungen, nicht nur an ihrem Portemonnaie bei Spendenaufrufen.  Hinweise, Ideen und Kritik werden gerne an entgegen genommen. Als Brief oder unter psverlag@bluewin.ch

Noch eine letzte Bitte. Wenn Sie beim Lesen meines Namens, innerlich aufgestöhnt haben und das Geld nun zurück verlangen wollen, so hoffe ich, dass sie damit abwarten können. Und dem neuen Pflänzchen etwas Zeit geben. Vielleicht wird es ja doch noch ein Schwan oder so.

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